Foto: Frank Deubel, Wiesbaden

Vita

Studium an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Staatsexamen

Lehramt am Staatlichen Gymnasium Boppard  und am Schulzentrum in Eltville (Kunst, Geografie, Französisch)  

Studium an der Wiesbadener freien Kunstschule

Kunsthistorische Vorlesungen an der Städelschule Frankfurt

 

2007–2014 Erste Vorsitzende des Berufsverbandes Bildender Künstler in Wiesbaden (BBK)

 

AUSSTELLUNGEN (AUSWAHL) E = Einzelausstellung G = Gruppenausstellung

  •    Schaustelle des BBK - (G) 2017-2023
  •    Galerie Weick, Düsseldorf (G) 2015
  •    Galerie Ekain Arte Lanak, San Sebastian (G) 2014
  •    Kunstarche Wiesbaden, Die Welt ist Farbe (G) 2014
  •    Robert-Schuman-Haus, Trier ( E ); Ev. Stadtkirche Höchst (E) 2012
  •    Kunstverein Rotenburg (E) 2011
  •    Haus am Dom, Frankfurt (E) 2010
  •    Handwerkskammer Wiesbaden (G) kuratiert von Galerie Rother 2010
  •    KunstKulturKirche Allerheiligen Frankfurt (E) 2009
  •    Galerie M in Potsdam und Kunsthaus Wiesbaden (G) 2008
  •    MVB Galerie Mainz (G); Kunsthaus Wiesbaden (G) 2007
  •    Kunsthaus Wiesbaden (G) 2006 o Dreifaltigkeitskirche Wiesbaden (E) 2005
  •    Kunstverein Eisenturm Mainz, MVB Galerie (E) 2005
  •    Rudolf-Steiner Galerie, Stuttgart (E) 2002
  •    Galerie für moderne Kunst, Wiesbaden (E) 2001
  •    Rathausgalerie Wiesbaden (E) 2000
  •    Universität Mainz (E) 1999
  •    Kreishaus Bad Schwalbach (E) 1998
  •    Galerie 40 / Christine Rother (E) 1998

 

Illustration

o  Titelblatt der Buchreihe „Farbe, Licht, Gesundheit“, seit 2006

o  Entwürfe und Ausführung von Glasfenstern

o Titelblatt der Institutsbroschüre des Max-Planck-Instituts für Chemie, Mainz 2004

o Titelblatt des Buches „Farbe und Gesundheit“, München 2004

 

Arbeiten in Räumen (Auswahl)

o Fenster und Wandgestaltung des Raum TERRA im Ludwig-Eibach-Haus Wiesbaden

o Fenster und Wandgestaltung für den  Raum der Stille im Hospiz Advena, Wiesbaden 

o Deckenobjekte in den Patientenzimmern des Hospiz Advena, Wiesbaden

o Eingangsbereich des Städtisches Klinikum, Ludwigshafen

o Wartebereich Notaufnahme und Röntgen sowie Verabschiedungsraum im St. Josefshospital, Wiesbaden

o Kapelle (Raum der Stille) und Festsaal im Katharinenstift, Wiesbaden

o Eingangsbereich St. Josef-Krankenhaus, Königstein/Taunus

o OP-Praxis Dr. Goerttler, Dr. Salup, Dr. Graf, Wiesbaden

 

 

Referate und Vorträge über Farbwirkung (Auswahl)

o FH Mainz

o Universität Mannheim / Tagung des Deutschen Farbenzentrums

o Bauhaus Universität, Weimar / Tagung des Deutschen Farbenzentrums

o Museum Wiesbaden (Führungen)

 

Bilder in öffentlichen und privaten Sammlungen (Auswahl)

 

Stadt Wiesbaden

Wiesbadener Volksbank

BASF Ludwigshafen

St. Josefshospital Wiesbaden

EVIM-Wiesbaden

Rathaus Bad Schwalbach

 

 

Renate Reifert – Phänomenologie der Farbe

 

 

Farbe und ihre Wahrnehmung sind die Koordinaten, zwischen welchen sich das Universum von Renate Reiferts vielfältigem künstlerischen Schaffen erstreckt. In facettenreichen Werkreihen beschäftigt sie sich, unter differierenden Gesichtspunkten, mit den materiellen Eigenschaften der Farbe, ihrer optischen wie auch psychologischen Wirkung sowie der Frage nach der malerischen Erzeugung von Licht durch Farbe. Die Themen von Renate Reiferts malerischen Forschungen sind dabei keineswegs neu, denn Licht und Farbe stellen letztlich die Grundpfeiler dar, auf welchen die gesamte Kunstgeschichte aufbaut. Einzigartig sind jedoch die Bildfindungen, die aus Renate Reiferts Auseinandersetzung mit dem klassischen Thema resultieren.

 

So ist in den aus leuchtend farbigen, dreieckigen Flächen aufgebauten prismatischen Bildern, einer über Jahre gewachsenen Serie, ein Sujet entsprechend des tradierten figurativen oder abstrakten Verständnisses aufgegeben. Denn sie zeigen weder einen konkreten Gegenstand, noch eine abstrahierte Formenwelt, bilden auch keinen malerischen Gestus ab. In den aus lasierenden Farbschichten aufgebauten Bilder ist vielmehr die Farbe Motiv wie Mittel zugleich. Sie stellt sich quasi selbst dar, frei von jeglichem Objektbezug und ebenso frei von assoziativen Zuschreibungen.

 

Allein der prismatische Aufbau mag auf Isaac Newtons 1672 veröffentlichte Farbtheorie verweisen, in welcher er – mithilfe von Experimenten mit Prismen – belegt, dass die Spektralfarben Teil des weißen Lichts sind.[1] Analog zu Newtons Theorie entwickeln sich auch Renate Reiferts prismatische Bilder aus einem kleinen weißen Zentrum heraus, welches die bloße grundierte Leinwand zeigt. Um diesen Nukleus herum werden, äquivalent der physikalischen Brechung des Lichtstrahls in einem Prisma, die transparenten Farbschichten aufgetragen, deren Mischwerte durch Addition und erst im Auge der Betrachtenden entstehen. Aus der Verdeckung der Farbe resultiert entsprechend ein neues farbiges Potential, die Summe aller im Bild verwendeten Farben wiederum erzeugt einen je charakteristischen Farbklang. Wie nehmen wir diese farbigen Symphonien wahr? Wie verändern sie unsere Stimmung, inwiefern wirken sie auf uns ein? Die Farbe leitet in diesen Bildern eine Reflexion über das ihr inhärente Wirkungspotential im Besonderen sowie über grundlegende wahrnehmungstheoretische Fragen im Allgemeinen ein.

 

An diese Fragestellungen knüpft auch das Coloarium an. In diesem abstrahiert Renate Reifert die Farbklänge, wie sie in der Natur zu finden sind. Die Farbakkorde einzelner Pflanzen oder des Gefieders eines Vogels werden in colorierten Flächen systematisch festgehalten, ein Überblickswerk aus unzähligen natürlichen Farb-Kombinationen führt vor Augen, dass das Kolorit der Natur uns durchweg als stimmig erscheint. Darüber hinaus bietet das Coloarium die Möglichkeit, eine rein von der sinnlich-sensitiven Wahrnehmung geprägte Sicht einzunehmen. Form und Ratio, wie sie sich seit Mitte des 17. Jahrhunderts durch den französischen Philosophen René Descartes als die Leitmotive unserer Weltsicht durchgesetzt haben,[2] bleiben hier außen vor.

 

Die subjektive Wahrnehmung steht auch im Fokus der gleichsam auf natürliche Farbphänomene bezogenen Serie der Wolkenbilder. Wiederum mit wissenschaftlicher Akribie aquarellierte die Künstlerin über Jahre hinweg morgens um 7:45 Uhr den östlichen Himmel. Statt dabei von Gewusstem auszugehen, betrachtete Renate Reifert den Himmel jeden Tag aufs Neue mit phänomenologischer Unvoreingenommenheit. Auch hier bergen die zarten Farbnuancen eines jeden Tages die Annäherung an ein essentielles Weltverständnis.

 

Einen Rückkopplungseffekt erfahren die farbspezifischen Beobachtungen der Künstlerin in der Gestaltung von ganzen Innenräumen sowie in Installationen. In bewusst gewählten tonalen Harmonien evoziert sie die nachweislich positive Wirkung von Farbe auf das menschliche Befinden. Funktionale Architektur, insbesondere von Kliniken und Praxen, erhält durch dieses FARBTUN, wie Reifert selbst es begrifflich fasst, eine warme, psychologisch an die menschliche Wahrnehmung angepasste Atmosphäre.

 

Was wiederum geschieht, wenn uns Dinge nahe, also zu Herzen gehen, verbildlicht die Gruppe der Echo-Bilder. Ausgangspunkt der Arbeiten sind Kardiogramme der Künstlerin. Transferiert in dunkelfarbigen Tusch-Bleistift-Zeichnungen sowie in Arbeiten auf Holz und Metall transformiert sie wissenschaftlich-technische Daten zurück in das, was ihnen zugrunde liegt: Lebensmechanismen. Die Arbeiten oszillieren entsprechend zwischen rationaler Wirklichkeit und dem emotionalen Zugang zu ebendieser. 

 

Dunklere Schattierungen und eine schichtweise Annäherung an eine Fragestellung bildet auch die Serie der Schichtungen ab. Erdtöne dominieren hier die Palette, pastos übereinandergeschichtet lassen sie die Neugier der nicht nur künstlerisch ausgebildeten, sondern ebenfalls studierten Geografin Reifert durchschimmern, die Farbbetrachtungen auch tiefschürfender, nämlich unter der Erde fortzuführen. Ergänzt werden die Reflexionen über den tragenden Grund in der Pangea Serie. Die Beschäftigung mit den existentiellen Bedingtheiten des menschlichen Lebens wie Wahrnehmung, körperliche Existenz und Verortung in der Welt, wird hier um den Aspekt der Grundlage ebenjenes Lebens ergänzt. Wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse über die Kontinentaldrift verleiht sie einen sinnlich-ästhetischen Ausdruck und ermöglicht so eine Annäherung über die rationale Objektivität hinaus.

 

Die Beschäftigung mit dem über mehrere Jahrzehnte gewachsenen Oeuvre Renate Reiferts führt unweigerlich und mit Leichtfüßigkeit mitten hinein in farbpsychologische und wahrnehmungstheoretische Überlegungen. Auf spielerische und gleichzeitig äußerst durchdachte Weise vermittelt sie in ihren Werken zwischen Subjektivität und Objektivität, zwischen sinnlicher Welterfahrung und wissenschaftlicher Analyse. Jenseits des klassischen Abbild-Gedankens verwendet sie die Farbe dabei als Ausdrucksträger ihrer Überlegungen, die sich in konzentrischen Kreisen letztlich immer um die eine große Frage drehen: Wie lebt der Mensch in der Welt und wie wirkt sie über die Wahrnehmung auf ihn zurück? Der farbige Kosmos von Renate Reifert liefert ein Kaleidoskop unterschiedlicher Blickwinkel auf diese Kernfrage menschlicher Existenz.

 

 

Anne Simone Krüger

 



[1] Vgl. A Letter of Mr. Isaac Newton, Professor of the Mathematicks in the University of Cambridge; Containing His New Theory about Light and Colors: Sent by the Author to the Publisher from Cambridge, Febr. 6. 1671/72; In Order to be Communicated to the R. Society. In: Philosophical Transactions. Band 6, Nummer 80, 19. Februar 1672, S. 3075–3087.

[2] Vgl. René Descartes: Meditationes de prima philosophia. Meditationen über die Grundlagen der Philosophie, Erstveröffentlichung 1641.